Polnische Geschichten by Leopold von Sacher-Masoch

Polnische Geschichten by Leopold von Sacher-Masoch

Autor:Leopold von Sacher-Masoch [Sacher-Masoch, Leopold von]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Erzählungen
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Die wilden Frauen

In keiner der kleinen Lehmhütten, aus denen das galizische Dorf Rokaw bestand, brannte mehr ein Licht oder Feuer, nur bei Jur Matausch sah man noch einen unstäten Schimmer durch den wurmstichigen Fensterladen dringen, matt und traurig wie der Schein des Lämpchens, das zu Häupten des Todten brennt, und man sah auch noch einen lichten blauen Rauch durch das windschiefe, geschwärzte Strohdach dringen, denn es gab dort ebensowenig einen Schornstein wie eine Fensterscheibe und der Rauch musste sich seinen Ausweg nehmen, wo er ihn fand.

Das Haus war ein echtes galizisches Bauernhaus jener Zeit, wo der Landmann noch der Unterthan des Edelmannes und ein halber Sclave war. Man nannte ihn ein Thier, den Sohn einer Hündin, und so wohnte Jur Matausch denn auch nicht viel besser als ein Thier. In einem und demselben Raume befanden sich der Herd, auf dem ein offenes Feuer brannte, ein Schwein mit vier Ferkeln, eine Stange, auf der Hahn und Hühner schliefen, eine rothe, mit Blumen bemalte Truhe, eine mit Stroh gefüllte Lagerstatt, eine zweite, auf der ein Polster und ein grober Kotzen lagen, und ein roh gezimmerter Tisch, an welchem drei Männer und ein junges Mädchen sassen, während zwei andere Mädchen, ein Hund und eine Katze um den Herd herum kauerten und lagen.

Auf dem Tisch brannte ein Stümpfchen Unschlittkerze, das in einem ausgehöhlten Erdapfel stak, und neben einem Päckchen groben blaugrauen Papiers stand ein gar kurioses Schreibzeug. Die mit Schimmel überzogene Tinte befand sich in einem Branntweingläschen, dessen abgebrochener Stengel wieder in einer grossen Rübe stak, während ein halber ausgehöhlter Kürbis als Streusandfass diente.

Der Bauer, dem die Hütte gehörte, Jur Matausch, war der Einzige, der im ganzen Dorfe lesen und schreiben konnte und zwar deutsch ebenso gut wie kleinrussisch, denn er war 16 Jahre hindurch Soldat gewesen und hatte es bis zum Korporal gebracht. Er sass auch im Gefühle seiner Wichtigkeit mit der Miene eines Gelehrten da und vergass niemals, wenn er sie nicht gerade benützte, die Feder hinter das Ohr zu stecken. Er schnupfte auch von Zeit zu Zeit mit einer gewissen Würde aus einer kleinen Dose, was sein Ansehen beim Landvolke nicht wenig erhöhte.

Das Mädchen an seiner Seite war seine älteste Tochter Damaska, aus deren schönen hellen Augen eine seltene Klugheit sprach, während die kräftigen, dunklen Brauen, die kleine Nase, die stolz aufgeworfenen Lippen und das runde Kinn eine nicht gewöhnliche Energie verriethen.

Die beiden Bauern, die mit ihnen am Tische sassen und Matausch aufmerksam zuhörten, waren aus einem Nachbardorfe herübergekommen, um sich bei ihm Raths zu erholen. Ihr Grundherr hatte sie bereits seit Jahren in Bezug auf die den Unterthanen vorgeschriebenen Leistungen übervortheilt und, wenn sie eine Einsprache zu erheben wagten, misshandelt. Matausch las ihnen das Robotpatent Kaiser Josefs II. vor, das dem galizischen Landvolke die Erlösung aus der polnischen Sclaverei gebracht hatte, erklärte ihnen die bezüglichen Stellen, unterrichtete sie genau über ihre Pflichten und Rechte und setzte ihnen schliesslich eine kräftige Eingabe an das k. k. Kreisamt in Kolomea auf, in der er mindestens zwanzig Mal Gott, die heilige Jungfrau, die



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